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Erwartete Effekte

Das Lösungspotential des Projekts beruht auf drei spezifischen Ansätzen. Für sie ist jeweils eine der beteiligten Disziplinen federführend, die aber die Perspektiven der weiteren Disziplinen integriert. Die beiden verkehrswissenschaftlichen Gruppen entwickeln Auffanglösungen für Systemtrends im Freizeitverkehr und modellieren verkehrsplanerisch bedeutsame Grundlagen des deutschen und schweizerischen Freizeitverkehrs. Sie bedienen sich dabei der Kompetenz der historischen Sozialwissenschaft. Psychologie und Soziologie analysieren Kontrasträume und -zeiten und überprüfen Motive und Ursachen für Freizeitmobilität. Passende Mobilitätsangebote werden in Zusammenarbeit mit der Verkehrswissenschaft entwickelt. Die Fachgebiete Gesellschaft und Technik sowie Sozial- und Umweltpsychologie entwickeln Raumpartnerschaften als Politikbausteine und kooperieren mit unterschiedlichen Partnern zur Umsetzung in die Praxis. Ziel ist es, für die Freizeitgestaltung bedeutsame Entscheidungsprozesse bereits in die Modellierung der Raumpartnerschaft und ihrer Organisation einzubinden.


(1) Erklärungen zur Entstehung und zum Verständnis von Freizeitmobilität

Es soll empirisch untersucht werden, ob unterschiedliches Verhalten auf soziodemografische Unterschiede zurückgeführt werden kann, ob es eher mit Vorlieben und persönlichen Erfahrungen im Freizeitverkehr verknüpft ist oder ob es vor allem mit dem situativen Kontext einer Person erklärt werden kann. Auch die Charakteristika des Zielortes und ihre Attraktivität werden berücksichtigt. Im Projektzusammenhang sind diese Erkenntnisse auf die Frage zugeschnitten, ob die Suche nach Kontrasträumen tatsächlich ein treibendes Motiv für den Freizeitverkehr ist und Raumpartnerschaften eine Möglichkeit bilden, Wachstumsproblemen des Freizeitverkehrs zu begegnen. Wesentlich ist, dass Kontrasträume aus objektiven landschaftlichen, kulturellen und sozialen Merkmalen beschrieben werden können. Darüber hinaus sind Kontrasträume als Zielgebiete subjektiv durch Erwartungen, Wahrnehmungen und Bilder konstituierte Räume. Deshalb sind sie in der weiteren Analyse durch objektive (sekundäre Daten) und subjektive Indikatoren (Primärdaten aus Befragungen) zu charakterisieren. Partnerschaftliche Beziehungen zwischen Räumen sind auf die Entwicklungswünsche und Werthaltungen der Wohnbevölkerungen der Zielgebiete abzustützen, die die Gäste in den entsprechenden Zielorten antreffen.

Die Untersuchung erfolgt exemplarisch am Beispiel der Untersuchungsgebiete Berlin-Brandenburg, Berlin-Usedom und Zürich-Engadin und anhand des Tagesausflugs- und Kurzurlaubsverkehrs.


(2) Die Modifikation der Kontrastraumhypothese auf der Grundlage der theoretischen und empirischen Ergebnisse der Befragungen

Gegenstand des umweltpsychologischen Teilprojekts ist die Beschreibung individuell gelebter Raumpartnerschaften ("Wahlverwandtschaften") und die vertiefende Untersuchung der Kontrastraumhypothese. Individuelle Raumpartnerschaften treten in unterschiedlichen Gestalten auf: Regelmäßige Aufenthalte am gleichen Urlaubs- oder Ausflugsort, Dauercamping, Ferienwohnung, Zweitwohnsitz, Wochenendgrundstück oder Laube, regelmäßige Aufenthalte bei Verwandten u.a. Die Frage ist, welche Bedeutung diese regelmäßigen Besuchsformen in unseren Zielgebieten einerseits haben, andererseits welcher Stellenwert ihnen im Reiseverhalten der betroffenen Individuen zukommt. Darüber hinaus wird hinterfragt, inwieweit die Suche nach räumlichen Kontrasten tatsächlich ein Motiv zum Aufenthalt im Zielgebiet darstellt bzw. hinsichtlich welcher Parameter Kontraste gesucht werden und unter welchen Bedingungen das der Fall ist. Als Ergebnis der Befragungen (Psychologie) werden Differenzierungen der Kontrastraumhypothese sowie eine Typologie individueller Raumpartnerschaften erwartet. Erst auf dieser Grundlage erscheint ihre maßgeschneiderte Umsetzung möglich.


(3) Die Raumpartnerschaft vom theoretischen Modell zur praktikablen Lösung im Freizeitverkehr

Akteure und Netzwerke, die für eine Raumpartnerschaft geeignet erscheinen, werden analysiert und beschrieben. Auf Ansätzen lokaler Selbstorganisation (governance) aufbauend, werden konkrete Handlungsfelder und Erfolgsbedingungen von Raumpartnerschaften auf der Basis politikwissenschaftlicher Analysen identifiziert, Zielgruppen analysiert und dabei regionale Besonderheiten berücksichtigt. Es erfolgt eine experimentelle Akteursgewinnung und Netzwerkkonzeption. Ein Umsetzungsszenario und Handlungsempfehlungen werden vorab in der Forschergruppe diskutiert. Dabei wird die normative Kraft des Faktischen genutzt und die bereits bestehende Raumpartnerschaft "Fahrtziel Natur" (Kooperation zwischen Umweltverbänden, VCD, regionalen Akteuren der Untersuchungsregion Schorfheide-Chorin sowie der DBAG) wissenschaftlich begleitet und ausgewertet.
Zusätzlich wird im Sommersemester 2002 eine Lehrveranstaltung zum Thema "Nachhaltige Entwicklung am Beispiel ausgewählter Problemfelder" angeboten, in der und anhand der Problemfelder Mobilität, Wohnen, Tourismus diskutiert wird, wie ökologische, ökonomische, soziale, politische und technische Aspekte gleichwertig berücksichtigt werden können und welche Auswirkungen auf die Praxis zu erwarten sind. Diese Arbeiten werden von der Politikwissenschaft übernommen.


(4) Bündelungsmöglichkeiten für den Freizeitverkehr durch Koordinierung von Kontrasträumen mit neuen Chancen für den öffentlichen Verkehr

Jede unterschiedliche Form der Mobilität und ihre soziale und kulturelle Lage im Umfeld bildet ein bestimmtes Potential für Raumpartnerschaften. Je nach Stufe ist der Effekt auf Verkehrsminderung, Bündelung und Hebung der sozialen Qualität der Freizeitnutzung unterschiedlich hoch. Die Vielfalt der Zielpunkte des Reisens, ihre individuelle Wahl und die Tendenz möglichst weiter Attraktionsradien führt zu maximaler Zerstreuung der Bewegungen.
An diesem Punkt setzen Untersuchungen mit dem Ziel einer Attraktivitätssteigerung des öffentlichen Nahverkehrs an. Dabei geht es hier weniger um neue Verkehrssysteme, sondern um die sinnvolle Organisation bekannter Elemente. Dazu bedarf es einer Strategie, die Auffanglösungen für unterschiedliche Siedlungsformen bietet, indem sie auch Qualitäts-, Anspruchs- und Preisdifferenzierung erlaubt und Bündelungspotentiale sichtbar macht. Raumpartnerschaften könnten hier greifen, indem sie den heutigen "Zwangsverkehr ÖPNV" als Freizeit- und Urlaubsverkehr zum Dienstleistungsbereich par excellence werden lässt. Damit wäre ein wechselseitiger Lernprozeß denkbar, der auf die Umsetzung von Bündelungsmöglichkeiten zurückwirkt.


(5) Substitution von Fernreiseverkehr durch die teilweise Umleitung des Wachstums auf den Naherholungsraum

Raumpartnerschaften könnten Wachstumsschübe im Freizeitverkehr zwischen Kontrasträumen induzieren und damit eine ökologisch sinnvolle Alternative zum Ferntourismus bilden. Daraus leiten sich durchaus Möglichkeiten ab, konkrete Auffanglösungen zu entwickeln, die Ferntourismus durch ressourcenschonende Angebote in der Nähe in gewissem Umfang ersetzen. Ein Leitbild "Kurzreisen als Wachstumsmarkt" kann die Zahl der Freizeitreisen weiter steigen lassen und zugleich - im Gesamtsystem - den Verkehrszuwachs abschwächen.


(6) Kontrasträume für innovative Verkehrssysteme und Verkehrsverhaltensmuster

Im Kontrastraum erscheint das Aufbrechen von Routinen unter bestimmten Bedingungen leichter als im Alltagsraum und entsprechendes "Kontrastverhalten" möglich. Die Ausnahmesituation am Urlaubsort, die das Ausbrechen aus Gewohnheiten erleichtert, könnte gerade im stark durch Routinen und affektiven Bindungen geprägten Verkehrsbereich durch Stärkung von Anreizstrukturen genutzt werden. Dafür bietet sich die Fahrradbenutzung, die Erfahrung mit dem AnrufBus oder dem Eisenbahnshuttle (wie auf Usedom) oder der Wochenendtest eines verbrauchsarmen Kleinwagens an. Als entscheidender zweiter Schritt können positive Erfahrungen im ländlichen Raum dazu führen, ein neu eingeübtes Verkehrsverhalten in die Agglomeration zu übertragen.
© 2001 Forschungsprojekt: "Kontrasträume und Raumpartnerschaften" - TU-Berlin - Webmaster